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KANN HIER MAL JEMAND AUFRÄUMEN?

Transparenz ade: In diesem Label-Irrgarten blickt keiner mehr durch! The Family Butchers spricht mit dem Marktforschungsexperten Cirk Sören Ott über die „Label-Flut“ auf Lebensmitteln und bezieht selbst Stellung zum Themengebiet.
 

Unser Statement – wie sehen wir die „Labelflut“? 

Wir halten Label für wichtig und zukunftsweisend, um Hintergründe zum Produkt transparent zu machen und Verbraucher*innen im Sinne der Wahlfreiheit die Möglichkeit zu geben, diese in ihre Kaufentscheidung einzubeziehen. Unsere Kund*innen stehen dabei immer an erster Stelle. Daher ist für uns das wichtigste Kriterium, das Label einheitlich und eingängig sind. Ein Übermaß sowie Uneinigkeit in der Gestaltung und Nutzung führen zwangsläufig zu Verwirrung und Überforderung – Konsequenzen, die für uns nicht tragbar sind. Wir befürworten daher, seitens Politik, Handel und Hersteller gemeinsam an einer Label-Struktur zu arbeiten, die als höchstes Ziel hat, einen echten Mehrwert für Verbraucher*innen zu schaffen, welcher langfristig den Weg für mehr Preisakzeptanz und Nachhaltigkeit ebnet. 

Unser Experte Cirk Sören Ott 

Blickt immer über den Tellerrand: Cirk Sören Ott, Vorstand der Gruppe Nymphenburg, einem international anerkannten Spezialisten in der auf Neuromarketing basierten Markenberatung.  
Der studierte Betriebswirtschaftler, Dozent und Buchautor hat über 25 Jahre Marktforschungs- und Beratungserfahrung und ist Experte auf den Gebieten der Marketing-, Konsumgüter- und Handelsforschung.

TFB Interview mit Cirk Sören Ott
 

TFB: Welche Relevanz hat die Kennzeichnung mit Labeln generell bei der Kaufentscheidung?

Cirk Sören Ott: Hier muss man zwischen zwei Gruppen unterscheiden: Zum einen Konsument*innen, die bereits von sich aus ein großes Interesse an bestimmten Themen wie beispielsweise Bio, Nachhaltigkeit oder Tierwohl haben. Für diese Gruppe hat die Kennzeichnung mit einem entsprechenden Label eine besonders hohe Relevanz bei der Kaufentscheidung. Zum anderen Shopper, und das ist nach wie vor die große Mehrheit, für die vor allem Preis und Frische zu den wichtigsten Aspekten zählen; Label spielen für sie erst nachgelagert eine Rolle. Wenn diese Gruppe am Supermarktregal steht und zwischen zwei oder mehr Produkten abwägt, kann ein Label jedoch Sicherheit vermitteln und die Kaufentscheidung lenken. 

TFB: Welche Kriterien sollten Label erfüllen, um Verbraucher*innen einen echten Mehrwert zu bieten und am POS wahrgenommen zu werden? 

Cirk Sören Ott: Grundsätzlich gilt: Je höher der emotionale Wert eines Labels, umso größer ist auch sein Mehrwert. Beständigkeit und aufklärende Kommunikationsmaßnahmen sind hierfür der Schlüssel. Der emotionale Wert entsteht zum einen durch die Vertrautheit mit der Optik und zum anderen durch die allgemeine Relevanz des angesprochenen Themas. Um Seriosität zu schaffen, benötigt es u.a.: Zeit, positive Berichte, PR durch Unternehmen und eigene positive Erfahrungen. Für die erfolgreiche Etablierung eines Labels ist es daher entscheidend, konstante Aufmerksamkeit zu erzeugen, sodass der Wiedererkennungswert steigt. Aktuell ist das bei den meisten Labeln auf Lebensmitteln jedoch nicht der Fall – nur die wenigsten sind den Konsument*innen bekannt und werden in die Kaufentscheidung einbezogen. Neben der Bekanntheit ist es bei der Gestaltung des Labels besonders wichtig, dass die verschiedenen Abstufungen – zum Beispiel Haltungsformen – sowohl visuell, hier ist die passende Farbwahl entscheidend, als auch von der Wortwahl schnell und intuitiv verstanden werden. Wenn hier bereits Verständnisfragen aufkommen, ist das Interesse der Shopper verloren. Beispiele hierfür sind Labels, die wie EAN Codes aussehen oder die Begriffe „Premium” und „Außenklima" auf dem Haltungsform-Label, die für die Konsument*innen nicht ganz eindeutig sind.    

TFB: Verpackungen müssen von Haus aus eine ganze Reihe an Anforderungen erfüllen und Informationen transportieren. Die Kennzeichnung mit Labeln kommt hier noch on top. Ab wann sind Verbraucher*innen mehr überfordert als informiert? 

Cirk Sören Ott: Um tatsächlich Einfluss auf die Kaufentscheidung zu nehmen, sollten es nicht mehr als drei verschiedene Label auf einem Produkt sein – alles darüber hinaus geht bei der Menge an Informationen unter. Mit einer Vielzahl an Labeln zum gleichen Thema erreicht man nur eines: Verunsicherung – und das beschädigt die Marke. Umgekehrt schafft ein seriöser und maßvoller Einsatz von Labeln Vertrauen und kann sich positiv auf das Kaufverhalten auswirken. Tendenziell werden es jedoch immer mehr Label, sodass die Überforderung wächst. Statt Transparenz zu schaffen, ruft die „Label-Flut“ bei den meisten Ablehnung und Desinteresse hervor. Die eigentliche Mehrwertintention geht somit verloren und es werden nur diejenigen erreicht, die gezielt nach bestimmten Informationen beim Kauf Ausschau halten. Das gilt im gleichen Maße für die Verpackungen an sich, für deren Design die Hersteller und deren Marketing verantwortlich sind. Es ist nicht sinnstiftend, zwanghaft alles was möglich ist, auf die Packungen aufzubringen.
 
TFB: Welche anderen Möglichkeiten gibt es neben der Kennzeichnung mit Labeln, um Verbrauchern relevante Informationen zur Verfügung zu stellen, sie aber gleichzeitig nicht mit einer „Label-Flut“ zur überfordern? 

Cirk Sören Ott: Mit Hilfe von gut sichtbaren Smart Labels wie QR-Codes lässt sich heutzutage einiges machen. Natürlich ist die Nutzung noch gering, sie nimmt aber – wie Studien aus den USA und UK zeigen – stetig zu und ist daher ein gutes Mittel, um wichtige Themen wie Nachhaltigkeit und Tierwohl ausführlicher zu belegen und darüber auch am POS zu informieren. Eine direkte Integration des QR-Codes innerhalb des Labels auf der Verpackung als Anhaltspunkt, wie es auch für die staatliche Haltungsformkennzeichnung geplant ist, halte ich grundsätzlich für sinnvoll.  

TFB: Wie ist Ihre Meinung zum geplanten staatlichen Haltungsformkennzeichen: Wird dieses den Anforderungen gerecht? 

Cirk Sören Ott: Rein optisch ist das staatliche Haltungsformkennzeichen bisher kein Highlight. Es wäre sehr zu hoffen, dass an der Darstellung noch gearbeitet wird, da die Schwarz-Weiß-Optik eher formell und nicht besonders ansprechend wirkt. Die Stufen sind hingegen gut verständlich und die Integration von Bio als höchstes Level, erscheint zumindest aus Shoppersicht sinnvoll, auch wenn dadurch eine Dopplung mit anderen Bio-Siegeln entstehen würde. Was den geplanten „Schutzzonen-Abstand“ zu anderen Kennzeichnungen betrifft, verringert dieser die grundsätzliche Verwirrung bei zu vielen Labeln nicht. Der aktuelle Plan, das staatliche Label im ersten Schritt nur auf frischem Schweinefleisch einzuführen, führt zur weiteren Verunsicherung und Verwirrung der Konsument*innen. Im Sinne der Akzeptanz wäre es nachvollziehbarer, das Label gleich zu Beginn flächendeckend für alle Fleisch- und Wurstprodukte einzuführen, sodass keine Diskrepanz entsteht, warum einige Produkte gekennzeichnet werden und andere nicht. So würde zum Beispiel das eingängige und gut designte aktuelle Haltungsformkennzeichen auf Produkten, die das staatliche Siegel noch nicht führen müssen, zur totalen Verwirrung führen.

TFB: Stichwort Preisakzeptanz. Steigt diese durch eine verpflichtende Haltungsformkennzeichnung aufgrund der Nachvollziehbarkeit? 
 
Cirk Sören Ott: Sicher stützt ein Haltungsform-Label die Preisakzeptanz. Allerdings ist Preisakzeptanz nicht immer gleichbedeutend mit Kaufpräferenz. Gerade in der aktuellen Situation, in der viele Haushalte immer weniger Geld für Lebensmittel zur Verfügung haben, spielen andere Kaufkriterien trotz Verständnis und Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung eine größere Rolle. Nichtsdestotrotz kann ein verpflichtendes Label, die Preisakzeptanz erhöhen und auf lange Sicht den Weg für mehr Nachhaltigkeit ebnen.  

TFB: Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend dafür, damit das gelingen kann? 
 
Cirk Sören Ott: Eine einheitliche Linie zu fahren, die sich an den Interessen der Verbraucher*innen orientiert. Bei all den Debatten darüber, welches Label das Beste ist, gerät die Konsumentensicht immer mehr aus dem Blickfeld. Dabei sollten gerade diese im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen. Es ist daher dringend notwendig, dass man sich auf eine verbindliche Kennzeichnung einigt. Natürlich ist es aus vielen Gesichtspunkten schwierig, die Anzahl an Labeln auf einem Produkt zu begrenzen oder gar gleiche Label zu einem Thema zu verbieten. Dennoch ist zu hoffen, dass im Sinne des Konsumenteninteresses von allein eine Konsolidierung stattfindet und Politik, Handel und Hersteller zusammenarbeiten, um die Bekanntheit und Aufklärung auf kommunikativer Ebene voranzubringen.

Es geht um die Wurst #4 

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